Ich bin Mitglied bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hadere aber bei einigen Themen ganz massiv mit meiner Partei. Eines dieser Themen ist Datenschutz, bei dem ich oft das Gefühl habe, die Partei predigt zwar Wasser, säuft dann aber Wein.

Soziale Netze

Nutzung Sozialer Netze

Im Gegensatz zur Bundestagsfraktion ist die Partei selbst bis heute nicht im Fediverse angekommen. Die Partei bespielt aber Facebook, Instagram und trotz aller Kritik daran auch weiterhin Twitter.

Auch relativ neue Soziale Netze wie TikTok, Bluesky und Threads (komplette Liste), die allesamt deutlich jünger sind als das Fediverse, können mit viel Aufwand (siehe z.B. @diegruenen auf TikTok) bespielt werden. Aber um einfach nur die Posts von Twitter parallel auch noch im Fediverse zu veröffentlichen, dafür fehlen dann die Ressourcen.

Neben der Partei selbst gilt das leider auch für die meisten Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Einige hatten noch Crossposter von Twitter zu Mastodon eingerichtet, seit die API von Twitter aber beschränkt wurde, liegen deren Accounts auf Mastodon brach, mehrfache Hinweise darauf wurden ignoriert. Instagram, Facebook, Twitter & Co. werden natürlich weiterhin bespielt. Das gilt leider auch für viele Politiker*innen, die es eigentlich besser wissen müssten…

Fachsimpeln über soziale Netze zwischen @KonstantinNotz und @norbert...

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Wer auf dem Laufenden bleiben will, kommt also um die Nutzung dieser kapitalistischen, zentralisierten und datensammelnden Sozialen Netze nicht herum.

Bei Diskussionen dazu wird häufig auch mit der Reichweite argumentiert. Es geht aber nicht um Reichweite, sondern um Qualität, wie Heise nach deren ersten Jahr im Fediverse aufgeschrieben hat:

Rund um den Account von heise online hat sich eine große Community gebildet, von der der Newsticker und die Redaktionen längst profitieren. Zwar ist es um Mastodon und vor allem das Fediverse zuletzt wieder etwas ruhiger geworden ist, in dem Netzwerk selbst ist aber weiterhin viel los.

Quelle: Heise Online

Die Liste für die Europawahl wurde nach meinem Hinweis kurz nach der Aufstellung auf der BDK 2023 noch um die Mastodon-Profile erweitert. Von den dort aufgeführten 40 Politiker*innen haben nur neun einen Account im Fediverse, aber nur Eine(!) ist auch im Fediverse aktiv: Corinna Balkow:

am besten mit
@netzbegruenung

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Danke Corinna! 💚

Das Grüne Netz

Im Grünen Netz gibt es die Möglichkeit, ein eigenes Profil anzulegen. Bei diesem Profil lassen sich Accounts in Sozialen Netzen hinterlegen, allerdings nur für Facebook, Twitter und Instagram. Als einer der Betreibenden der Mastodon, Pixelfed und PeerTube Instanzen der Netzbegrünung werde ich regelmäßig gefragt, warum es nicht möglich ist, im Grünen Netz auch Accounts im Fediverse zu hinterlegen.

Gruenes Netz

Ich habe die Partei dazu im November 2021 das erste Mal angeschrieben und darum gebeten, dass die Felder erweitert werden, damit z.B. auch Profile im Fediverse hinterlegt werden können. Damals hieß es dazu:

Eine Ergänzung der Felder steht auf der Featureliste für kommendes Jahr. Umsetzung Q1/2022.

Zwei weitere Anfragen dazu von mir im April und August 2022 wurden ignoriert, im November 2023 habe ich nochmal bei einem größeren Empfängerkreis nachgehakt. Die Antwort darauf:

Die Umstellungsarbeiten sind wegen anderer Projekte in den Hintergrund getreten, laufen aber nach wie vor. Ich bitte um etwas Geduld.

Im Februar 2024 habe ich dann nochmal angefragt und die Information erhalten, dass jetzt das komplette Grüne Netz umgebaut wird und daher keine Ressourcen mehr in die Veränderung des bestehenden Systems gesteckt werden.

Baustelle

Diese Information befindet sich inzwischen auch auf der Seite selbst.

WhatsApp

Seit einiger Zeit werden Neuigkeiten über WhatsApp verbreitet. Statt datenschutz-freundliche Messenger wie Signal oder Threema zu nutzen, werden die Daten der Mitglieder und Interessenten also an Meta weitergegeben. Das Argument der Partei dazu lautet:

Wir gehen dorthin, wo die Menschen längst sind.

Fun Facts am Rande: Es gab vor einigen Jahren bereits einen Kanal bei Threema, der dann aber eingestellt wurde. Der parteieigene Messenger namens Chatbegrünung auf Basis von Rocket.Chat wird von der Partei gar nicht zur Kommunikation genutzt.

Slack

Mehrfach bestätigt wurde inzwischen auch, dass die Bundesgeschäftsstelle für die interne Kommunikation seit mehreren Jahren Slack verwendet. Meine Anfrage dazu, wie dabei sichergestellt werden kann, dass keine personenbezogenen Daten von Mitgliedern der Partei an Dritte übertragen werden, vor allem nachdem jetzt bekannt wurde, dass Slack sämtliche Inhalte zum Training von LLMs verwendet, blieb leider bisher unbeantwortet.

Update vom 18. Juni 2024: Nach einer erneuten Anfrage per E-Mail hat jetzt auch die Bundesgeschäftsstelle selbst die Nutzung von Slack bestätigt:

Wir nutzen Slack ausschließlich für die interne Kommunikation in der Bundesgeschäftsstelle. Wir haben die dafür notwendigen Datenschutzvorkehrungen getroffen wie auch technisch-organisatorische Maßnahmen festgelegt, um sicherzustellen, dass bspw. Mitgliedsdaten nicht über diesen Kanal versendet werden.

Wie genau sie das sicherstellen wurde leider nicht mitgeteilt, auch meine Frage, ob eine Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO existiert, wurde ignoriert.

Zum Thema LLMs schreibt die Bundesgeschäftsstelle:

Die Verwendung unserer Daten im Training der globalen KI-Modelle von Slack ist deaktiviert. Das gilt auch für historische Daten.

Laut der Privacy Principles von Slack hilft das aber nur bedingt:

If you want to exclude your Customer Data from helping to train Slack global models, you can opt out. If you opt out, Customer Data on your workspace will only be used to improve the experience on your own workspace and you will still enjoy all of the benefits of our globally trained AI/ML models without contributing to the underlying models.

Es lässt sich bei Verwendung von Slack also gar nicht verhindern, dass die darüber laufende Kommunikation für das Training der Slack LLMs verwendet wird.

Microsoft 365

Der Bundesverband plant offenbar eine nicht unerhebliche Menge an Microsoft 365 Lizenzen anzuschaffen und bietet diese derzeit den Landesverbänden zum Kauf an. Und das, nachdem die EU-Kommission vor kurzem erst dazu verdonnert wurde, ihre Nutzung von Microsoft 365 einzustellen.

Videokonferenzen

Die Partei nutzt nach wie vor primär Zoom für interne Veranstaltungen. Das führt immer wieder zu Kritik und Diskussionen, zuletzt auf dem Landesparteitag Schleswig-Holstein. Es gibt zwar seit kurzem auch eine eigene Jitsi Instanz, diese wird aber nur von einigen wenigen Gliederungen, Bundes- und Landesarbeitsgemeinschaften genutzt, meist solche mit digitalpolitischen Hintergrund, die bereits in der Verangenheit Zoom gemieden haben. Veranstaltungen von Bundesverband und Landesverbänden laufen nach wie vor ausschließlich über Zoom.

Fazit

Unser Grundsatzprogramm macht große Ansagen zum Thema Datenschutz:

Offenheit muss ein Leitprinzip für den digitalen Wandel sein. Die Verfügbarkeit von Daten ist durch europäische, datenschutzkonforme, dezentrale und kooperative Datenökosysteme zu ermöglichen und zu fördern.
[…]
Offene Daten, offene Software, offene Standards und offene Schnittstellen müssen politisch gefördert werden und Standard sein, wenn öffentliche Gelder aufgewendet werden.
[…]
Open Source, Open Data und höchste Daten- und Verbrau­cher*innen-Schutz-Standards sind die europäische Antwort, um einer unkontrollierten Datenmacht von Staaten wie von Unternehmen entgegenzuwirken.

Quelle: Grundsatzprogramm (Seite 49)

Ich frage mich aber ernsthaft, wie wir das alles umsetzen wollen, wenn wir bei den genannten Themen intern schon an so vielen Stellen versagen und gegen unser eigenes Grundsatzprogramm verstoßen…

Kommentare gerne im Fediverse.